Unterwegs

Lesedauer 3 Minuten

Manche sagen, der Mensch befinde sich auf einer lebenslangen Reise. Gleichzeitig scheut er sich davor, unterwegs zu sein. Die meisten Menschen richten sich in ihrer kleinen Welt ein, die sie Zuhause nennen. Die nähere Umgebung dieses Zuhauses heißt Heimat. Dort ruht ihr Leben weitgehend in regelmäßigen Bahnen mit routinierten Abläufen und minimalen Überraschungen. Die Regler dieser Leben stehen hauptsächlich auf Sicherheit. Das Abenteuer besteht darin, neue Produkte auszuprobieren und gelegentlich kontrolliert über die Stränge zu schlagen.

Pauschalreise durchs Leben

Zug im Bahnhof, vor dem eine Zugbegleiterin steht.

Foto: tos

Doch wenn das Leben wirklich eine Reise ist, sollten wir neugierig mit offenen Augen unterwegs sein, uns auf unterschiedliche Landschaften, Gebräuche und Tätigkeiten einlassen.

Die Tourismusindustrie verweist allerdings darauf, dass vor allem organisierte Reisen gefragt sind.
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Wie verbringt Ihr euren Urlaub?x
Nach neuesten Zahlen wurden 2024 für alle  vor Reiseantritt gebuchten Reisen insgesamt 83,4 Milliarden Euro ausgegeben – ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders stark entwickelte sich der organisierte Reisemarkt. Insgesamt entfielen fast 40 Milliarden Euro – ein Plus von sieben Prozent – auf diesen Bereich. Das Umsatzplus für den Markt der selbst organisierten Reisen stieg dagegen lediglich um vier Prozent. Damit wächst der organisierte Markt stärker als individuelle Buchungen. Insbesondere Auslandsreisen und Kreuzfahrten werden vornehmlich als Pauschalreise bei Reiseveranstaltern und den rund 8.000 Reisebüros in Deutschland gebucht. 3,8 Millionen Menschen verbrachten im vergangenen Jahr ihren Urlaub auf einem Fluss- oder Hochsee-Kreuzfahrtschiff – 5 Prozent mehr als noch 2023. Das zeigt: Die Menschen möchten die Welt sehen, aber ihre gewohnte Umgebung mitnehmen.

Es ist wohl die Angst vor Veränderung, die den Menschen vor allem umtreibt. Veränderung bedeutet unter Umständen Gefahr, mindestens Unannehmlichkeiten und Anstrengung. Ungewissheit allemal. Also das genaue Gegenteil von Sicherheit. Und doch fordert der persische Dichter Rumi (1207 bis 1273) uns auf: “Vergiss die Sicherheit. Lebe dort, wo du Angst hast zu leben. Zerstöre deinen Ruf. Sei berüchtigt.” Mit modernen Worten: Heraus aus der Komfortzone, wer Spuren im Leben hinterlassen möchte. Schluss mit der Pauschalreise durchs Leben. Wer ein Komplettpaket bucht, wird das Allermeiste versäumen, weil er nur erlebt, was andere für ihn planen.

Setzt euch Risiken aus und ergreift die Chance, wirklich zu sehen und nicht nur abgeschmackte Events serviert zu bekommen.
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Wann seid ihr das letzte Mal ein echtes Risiko eingegangen?x
Lebt unter Menschen, anstatt euch nur von ihnen bedienen zu lassen.

Das gilt auch für Gesellschaften. Ruhephasen sind notwendig, aber wenn sie Jahrzehnte dauern und Sicherheit zum wichtigsten Bestreben wird, verliert eine Gesellschaft unweigerlich ihre Dynamik. Die Folgen sind Stillstand, Qualitätsverlust und letztlich Abstieg. Das alles ist bestens an öffentlichen Institutionen und Personen zu beobachten. Wenn Politiker beispielsweise mehr Lobbyisten in eigener Sache als engagierte Persönlichkeiten sind und es ihnen mehr um eigene Macht als um das Wohl ihres Landes geht, legen innere Zerrissenheit und Ratlosigkeit allmählich einen Staat lahm. Deshalb ist es die Aufgabe jedes einzelnen Menschen, durch Abenteuerlust, Neugier und Wagnis immer wieder sein eigenes Leben sowie das Gemeinwesen zu beleben. Ein Volk von aktiven Bürgern, die nicht Sicherheit, sondern neue Ideen als wichtigstes Lebensziel verfolgen, ist vielleicht anfällig für Schwankungen in seinem Wohlstand, aber nie langweilig. Es geht darum, vorwärts zu gehen und nicht ständig zurückzuschauen. In diesem Sinne:

Ärmel hochkrempeln, im nächsten Urlaub einfach zu Fuß von Zuhause losgehen und gespannt abwarten, was jeden Tag wieder interessantes geschehen wird.
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Welche Abenteuer erlebt ihr jeden Tag, wenn ihr mit offenen Augen durch die Welt geht?x

Über David Jonathan

David Jonathan hat vieles studiert, besonders jedoch das Leben. Journalist aus Leidenschaft, um Geschichten zu erzählen, die das Leben schreibt. Gegenwartshistoriker aus Überzeugung, weil nur die Vergangenheit das Hier und Jetzt verständlich macht und die Gegenwart in jedem Moment Geschichte ist. Glaubt an die Kraft des geschriebenen Wortes und die Inspiration des Gesprächs. Verbunden der Idee des „New Journalism“ eines Tom Wolfe, Truman Capote und Norman Mailer.
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